Zurück in die Zukunft

Waldenser
Zurück in die Zukunft

Den Waldensern auf der Spur

Unbeirrbar und standfest wie ein Fels in ihrer piemontesischen Heimat hielten sie an den biblischen Wahrheiten fest – oftmals bis zum bitteren Tod. Sie glaubten an die dauerhafte Gültigkeit des Gesetzes Gottes und viele hielten den Sabbat. Wer waren diese glaubenstreuen Vorbilder, von denen Ellen G. White schreibt, dass die Menschheit nie ermessen wird, was sie zur Verteidigung der Wahrheit vollbracht haben?

Diese Frage stellten sich einige Geschwister aus Baden-Württemberg und anderen Gemeinden und begaben sich im Sommer auf Spurensuche in die Alpentäler um Torre Pellice in Italien. Über kilometerlange, enge und teils holprige Serpentinen ging es zu den Wirkungsstätten der Waldenser. Dieses einfache, demütige Bergvolk besaß als eines der ersten Völker Europas die Bibel in ihrer eigenen Landessprache und betrachtete sie als einzige Richtschnur ihres Glaubens und Lebens. Es war kein neuer Glaube, den die Waldenser lebten, sondern das Erbe ihrer Väter, das sie hüteten und über Generationen unverfälscht weitergaben. 

Dieser Glaube stand in scharfem Kontrast zu den römischen Lehren. Gemeinden, die unter der Herrschaft des Papsttums standen, wurden gezwungen, den Sonntag als heiligen Tag zu ehren und den Sabbat zu entweihen. So verwundert es nicht, dass die vom Papsttum beauftragten Truppen alles daransetzten, die Waldenser zu vernichten. Nur wer der römischen Macht entfloh, konnte Gott in Frieden gehorchen.

Aus Treue zu Gott

Zum Glück haben wir diese dunkle Vergangenheit weit hinter uns gelassen. Unter dem verfassungsmäßigen Schutz der Religionsfreiheit wandern wir durch schroffe Berglandschaften mit tosenden Flüssen und tiefen Tälern und sind fasziniert von dem Panorama, der einzigartigen Flora und Fauna, in der Gottes Schöpfungskraft auf Schritt und Tritt spürbar ist. Und doch dringt die Vorstellung ganz langsam in unser Bewusstsein, dass vor 500 Jahren auf denselben Wegen 10.000 Menschen nach monatelanger Internierung verletzt, abgemagert und krank aus einem feuchten Gefängnis zu einem ungewissen, wochenlangen Marsch in die Schweiz getrieben wurden. Im tiefsten Winter ohne Schuhe und nur mit Stofffetzen bekleidet, erfroren oder verhungerten zwei Drittel von ihnen. Menschen, deren einziges Verbrechen es war, an Gott zu glauben und den festen Willen zu haben, ihm in allem treu zu bleiben.

Wir besuchen Höhlen, in denen man sich heimlich versammelt hatte, um gemeinsam das Wort zu studieren und sich gegenseitig im Gebet zu stützen. Spätestens hier, in dieser feuchtkalten, dunklen Abgeschiedenheit, kann auch das Anzünden von Fackeln und Kerzen und das Anstimmen von Liedern nicht mehr das verklärte Gefühl von Romantik hervorbringen. Die Vorstellung, solch einen Ort als einzige Zufluchtsstätte mit etwa 200 Geschwistern zu teilen, längere Zeit mit ihnen auszuharren, dort zu schlafen und täglich um sein Leben zu bangen, geht unweigerlich tief unter die Haut.

Wir besichtigen einfachste Schulen, in denen Kinder ohne jegliches Hightech-Equipment die Grundsätze der Wahrheiten tief in ihr Herz geprägt bekamen. Ellen G. White schrieb: „Von frühester Kindheit wurde die Jugend in der Schrift unterrichtet und gelehrt, die Forderungen des Gesetzes Gottes heilig zu halten. Da es nur wenige Abschriften der Bibel gab, lernten sie ihre kostbaren Worte auswendig. Sie lernten, mit Dankbarkeit auf Gott als den Geber aller guten Dinge zu schauen. Von Kindheit an wurden sie angehalten, Schwierigkeiten zu erdulden, sich Prüfungen zu unterziehen und doch selbstständig zu denken und zu handeln.“ (Vom Schatten zum Licht, S. 64)

Wir besuchen Museen, in denen die Verfolgung im Detail geschildert wird, und hören von der Treue und der Zuversicht, die diese Menschen in Gott hatten. Sie hatten die Wahl, sich zu weltlichen Vorteilen zu bekennen und so ihr Leben zu retten. Aber sie wählten mit Freude den Tod, in der Gewissheit, Gott nicht entehrt zu haben.

Aus der Vergangenheit lernen

„Es gibt nichts Neues unter der Sonne“, sagte König Salomo. Und wir wissen aus dem Studium der Offenbarung und dem Geist der Weissagung, dass sich diese Zeiten wiederholen werden. Nur heißen dann die Verfolgten nicht mehr Waldenser ... Angesichts des unbekümmerten Lebens und dem Luxus, den wir heute genießen, sollten wir uns deshalb ehrlich fragen: Bin ich vorbereitet? Bete ich täglich um die Erfüllung mit dem Heiligen Geist? Ist mir das Wort Gottes unendlich wertvoll geworden? Bin ich mit Christus eng verbunden? Ist die Gerechtigkeit Christi in mir sichtbar geworden? Werde ich in solch schweren Zeiten treu zu Gott stehen? Werde ich durch mein standhaftes Verhalten anderen Menschen Licht sein, das sie zu Gott führt?

Betroffene Stille macht sich breit, als das Auge über die so friedlich wirkende Landschaft schweift. Alpendohlen ziehen kreischend durch die Lüfte – und Traurigkeit erfüllt mein Herz. Was ist aus den Waldensern geworden? 3.000 von ihnen hatten schließlich den Marsch in die Schweiz überlebt. Als sie Genf erreichten, wurden sie herzlich von den Hugenotten aufgenommen und versorgt. Sie konnten sich erholen und ihre Wunden wurden liebevoll gepflegt. Schon bald zogen 700 von ihnen als Soldaten unter der Führung von Henri Arnaud in einem zehntägigen Marsch über die Alpenkämme zurück vom Genfer See bis in ihre Heimattäler.

Noch heute gibt es die Waldenserkirche, die sich für den Weltfrieden, Gleichberechtigung und Ökumene einsetzt. Heutige Waldenser beharren darauf, dass der biblische Sabbat von ihren Vorfahren nie gehalten worden sei. Streitpunkt sei damals nur der Anspruch des Papstes als Stellvertreter Gottes gewesen.

Viele von uns schauen mit Sorge auf unsere adventistische Identität und sehen zum Teil vergleichbare Entwicklungen: Unsere Glaubensüberzeugungen, unser prophetischer Auftrag, der Welt die letzte Botschaft der Liebe Gottes und die Warnung vor dem kommenden Gericht zu vermitteln, werden von vielen nicht mehr als Kernidentität verstanden; selbst der Geist der Weissagung wird in Frage gestellt. Aber es gilt: Klug ist der, der aus den Fehlern anderer lernt. Und so können uns die Waldenser ein warnendes Beispiel sein. Denn wir haben nichts zu befürchten – es sei denn, wir vergessen.

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