Kaltwasserschock adé!

Gemeindeleben
Kaltwasserschock adé!

Wie der Youth in Mission-Arbeitskreis das Jüngerschaftsprinzip für sich nutzt

Wahrscheinlich kennt jede Gemeinde und jeder, der Aufgaben verteilen muss, dieses Problem: Wir brauchen jemanden ... – wer macht’s? Entweder sind wir so glücklich und finden einen „Experten“ (von denen es nur sehr wenige gibt) oder wir schubsen den Unglücklichen, der es sich ansatzweise vorstellen könnte, in die Aufgabe und verpassen ihm so einen „Kaltwasserschock“. Wie sich das vermeiden lässt – dafür hat der Youth in Mission-Arbeitskreis eine schlaue und auch noch biblische Lösung gefunden.

1.300 Teilnehmer aus ganz Deutschland und fast 400, die extra aus dem Ausland anreisten, waren dieses Jahr vom 18. bis 22. April beim 13. Youth in Mission Congress (YiMC) dabei. Hauptsächlich Jugendliche, die sich zusammenfanden, um Gemeinschaft zu erleben und bei über 35 verschiedenen Workshops und Ansprachen Neues zu lernen. Am Sabbatnachmittag beteiligten sich mehr als 450 Teilnehmer an kreativen Aktionen in der Offenburger Innenstadt, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen: Neben einem Smoothie-Stand und Oster-Rallyes gab es Live-Malaktionen, Singgruppen und vieles mehr. Mindestens 145 Teilnehmer waren durch diesen Kongress so bewegt, dass sie Entscheidungen fürs Leben trafen und diese auf Karten festhielten.

Doch solch ein Riesen-Event muss im Vorfeld gut durchdacht und organisiert werden. Vielleicht bekommt man noch mit, dass vor Ort über 450 Helfer in freiwilliger Zusatzarbeit den Kongress stemmen – ohne eine solche freiwillige Arbeit wäre der Kongress nicht möglich. Es gibt aber auch über das Jahr hinweg viele fleißige Ehrenamtliche, die bereits zwei Wochen nach dem Kongress den nächsten YiMC planen und sich teilweise an ganz schön große Aufgaben herantrauen. Oder würdet ihr mal eben für 1.700 Menschen kochen oder den Minutenplan für eine fast fünftägige Veranstaltung aufstellen? Wie findet man für solche Mammut-Aufgaben Mitarbeiter? Klar, man kann die Finger kreuzen und auf „Experten“ hoffen, die sich bereit erklären, oder motivierte Ahnungslose ins kalte Wasser schubsen ... Der Arbeitskreis hat sich aber bereits in der Anfangszeit der YiM-Bewegung für ein anderes Prinzip entschieden – ein Prinzip, von dem wir überzeugt sind, dass es biblisch ist, da Jesus es auslebte: Jüngerschaft.

Beobachten, reflektieren und lernen


Bei diesem Konzept geht es nicht einfach nur darum, Menschen mit einer Aufgabe zu betrauen, sondern sie zu befähigen und damit einen Stein der Multiplikation ins Rollen zu bringen. In meinem Fall begann das damit, dass mein sehr guter Freund Willi im Arbeitskreis den Aufgabenbereich der Sicherheit übernahm – er sollte mit Hilfe von knapp fünfzig Volunteers dafür sorgen, dass der Kongress sicher und geordnet abläuft. Bei der Vorstellung, für die Sicherheit von im Schnitt fast 2.000 Menschen verantwortlich zu sein, kann man schon mal schlucken ... Zahllose Szenarien gehen einem plötzlich durch den Kopf, die alle mit „Was, wenn ...?“ beginnen.

Willi traute sich das aber nach etwas Überlegung und Gebet zu und bezog einige seiner Freunde in die engere Mitarbeit ein – darunter auch mich. Die ersten Jahre tat ich nicht viel. Ich begleitete ihn hauptsächlich, beobachtete, wie er mit Menschen umging und stressige „Notfälle“ bewältigte: Betrunkene, die nachts unbedingt aufs Gelände wollten, weil sie der festen Überzeugung waren, dass wir eine Party vor ihnen verstecken. Eine Notdusche, die vor den Chemie-Räumen betätigt wurde, und den Flur mit über 100 Litern unter Wasser setzte. Eine kaputte Klimaanlage, die einen Klassenraum, in dem Kongressteilnehmerinnen schliefen, konstant auf 16 Grad runterkühlte, sodass wir den Raum „evakuieren“ mussten, da bereits die Hälfte krank war. Die Liste, solcher Situationen ließe sich noch weiter fortführen ... – wobei wir danach fast immer gemeinsam besprachen und reflektierten: „Was lief gut? Was hätte man anders oder besser machen können?“ Ich konnte sehr viel von Willis geduldigem und freundlichem Umgang mit teilweise recht „herausfordernden“ Personen mitnehmen. (Vor allem zur Nachtruhezeit können Diskussionen zäh werden ...) Nach einigen Jahren bat er mich dann, größere Aufgaben zu übernehmen und ihm so zu helfen – nun hatte ich tieferen Einblick in die Planung und Einteilung des Dienstplans von über sechzig Freiwilligen, die sich vorher oft noch nie gesehen hatten, das Durchdenken von echten Krisensituationen und das Durchführen von Team-Besprechungen. Mit der Zeit kamen weitere Bereiche dazu – nun war es nicht nur die Sicherheit des Kongresses, sondern zusätzlich auch die Erste Hilfe und der Außenbereich; diese drei Teams mussten gut koordiniert werden.

Während Willi mir Verantwortung übertrug, mit der ich ihn unterstützen konnte, reflektierten wir weiterhin, was gut lief und was wir verbessern wollten – ach, wir hatten manche Nachtschicht damit verbracht, über aberwitzige Situationen zu schmunzeln, Tränen zu lachen oder über frustrierende Momente mit den Zähnen zu knirschen. Schließlich wurde ich vom Arbeitskreis gebeten, diesen Aufgabenbereich selbst zu leiten, was für die nächste Zeit aber nur meine und Willis Aufgaben austauschte: Ich hatte die Gesamtleitung und er begleitete und unterstützte mich in kleineren Aufgaben. Auch danach sprachen wir noch manches durch und versuchten, Aspekte zu verbessern. Nachdem ich den Bereich Sicherheit fünf Kongresse lang geleitet habe, versuchte ich es in der gleichen Art an meinen Nachfolger weiterzugeben.

Diese Geschichte ist kein Einzelfall. Viele der AK-Mitglieder haben ähnliches erlebt, und es zeigen sich darin die „5 Schritte der Jüngerschaft“, wie Dave Ferguson sie beschreibt: Schritt 1 – Ich mache. Du schaust zu. Wir reden. Schritt 2 – Ich mache. Du hilfst. Wir reden. Schritt 3 – Du machst. Ich helfe. Wir reden. Schritt 4 – Du machst. Ich beobachte. Wir reden. Schritt 5 – Du machst. Ein anderer beobachtet.

Mehr Experten, weniger Kaltwassererlebnisse


Zugegeben, es funktioniert nicht immer – manchmal muss man notgedrungen jemanden ins kalte Wasser schubsen oder einen Experten dazuholen. In den Jahren, in denen ich den Arbeitskreis unterstützen durfte, habe ich aber sehr oft erlebt, wie Jesu Prinzip der Jüngerschaft ein Segen für die Zusammenarbeit ist. Es war angenehmer, Nachfolger für bestimmte Aufgaben zu finden, da sie bereits mit der Arbeit vertraut waren und ihre „Mentoren“ hatten. Das Frustlevel für neue Mitarbeiter war viel geringer, da sie nicht von der Fülle der Aufgaben überrannt wurden, und das Konzept war leicht übertragbar – jeder konnte ganz einfach Mitarbeiter einlernen. Wäre ich nicht auf diese Art an eine solch große Verantwortung herangeführt worden, hätte ich sicher abgewunken und energisch abgelehnt.

In meiner Zeit im Arbeitskreis durfte ich nicht nur viele schöne Erfahrungen machen, sondern auch dazulernen. Vor allem aber habe ich selbst erlebt, wie simpel und leicht nachahmbar Jesu Jüngerschafts-Prinzip ist. Wie sehr wünsche ich mir seitdem, dass wir dieses Konzept in unseren Gemeinden ausleben: Egal ob bei Gemeindewahlen oder in der Mission – wie viel angenehmer würden diese Themen für uns sein? Und viel wichtiger: Welch ein Segen wäre es für unser Gemeindeleben? Innerhalb kürzester Zeit hätten wir nicht mehr nur eine Handvoll Experten, gepaart mit zahllosen frustrierenden „Kaltwassererlebnissen“, sondern unzählige fähige Jünger Jesu, die ihre Gaben in den unterschiedlichsten Bereichen einsetzen und andere miteinbeziehen – die es dann ebenso tun.

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