Raus mit dem Kopf aus dem Sand

Datenschutz
Raus mit dem Kopf aus dem Sand

Vom Umgang mit Datenschutz in Gemeinden

Ein Pastor fragte mich neulich, wie wir eine Art „Zweiklassengesellschaft“ in unseren Gemeinden vermeiden können, wenn einige Glaubensgeschwister die zwischenzeitlich wohl überall angekommenen „Einwilligungserklärungen der Freikirche zur Datennutzung“ abgeben und andere nicht.

Zahlreiche E-Mails an mich als Datenschutzbeauftragter unserer Freikirche in Baden-Württemberg beschäftigen sich insbesondere mit den Foto- und Videoaufnahmen, die in dieser Einwilligungserklärung unter anderem abgefragt werden. Wie gehen wir damit um, wenn Geschwister sich nicht oder nicht zustimmend äußern? Was, wenn keine Einwilligung zur Veröffentlichung von Geburtstagen vorliegt? Werden dann Gratulationen völlig eingestellt oder Bilder zum Jahresabschluss nicht mehr gezeigt?

Fakt ist: Bereits vor dem Inkrafttreten der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) im Mai 2018 durften Fotos von Personen nicht einfach veröffentlicht werden – doch das war den wenigsten von uns bewusst. Nachdem wir nun aber bei allen Ärzten, Banken usw. Datenschutzerklärungen unterschreiben sollen, hat sich das Bewusstsein geändert, auch bei zahlreichen Geschwistern.

Zum Spagat gezwungen


Nicht selten hört man allerdings immer noch den Spruch: „Wo kein Kläger, da kein Richter.“ Das bedeutet: Wenn sich niemand beschwert, dass ein Bild von ihm veröffentlicht wurde, gibt es auch kein Problem. Tatsache ist, dass zum Beispiel Beschwerden von Gemeindegliedern zu Veröffentlichungen über verstorbene Geschwister – auch aus Baden-Württemberg – die Freikirche in Deutschland dazu gezwungen haben, gerade diesen Punkt in die Einwilligungserklärung mit aufzunehmen.

Als Gemeinden haben wir einen Spagat zu absolvieren. Auf der einen Seite wollen wir unser Gemeindeleben aufgrund der Datenschutzregelungen nicht verändern. Zahlreiche Geschwister bestärken uns darin mit Aussagen wie: „Der Datenschutz ist doch vollkommen übertrieben!“ Auf der anderen Seite stellt sich kein gutes Gefühl ein, wenn wir beispielsweise Bilder auf unseren Gemeinde-Webseiten sehen, wissend, dass keine Einwilligung der abgebildeten Geschwister oder sogar Gäste vorliegt.

Noch schwieriger wird es, wenn Daten von uns als Gemeinde über Facebook, Instagram oder andere soziale Netzwerke geteilt werden. Vor allem Bilder und Videos verbreiten sich über Facebook und Co. an eine Vielzahl von Unbekannten und können problemlos in einen anderen Sachzusammenhang gestellt werden. So kann aus einem „harmlosen“ Foto plötzlich ein „diskreditierendes Foto“ werden. Tragödien können entstehen, wenn Fotos und Videos von Kindern missbraucht werden – und dies auch noch nach Jahren. Denn in dem Fall gilt ganz besonders: „Das Internet vergisst nicht!“

Erfreulicherweise gibt es Geschwister, die mittlerweile das Thema verinnerlicht und entsprechend reagiert haben. Ein Gemeindeleiter schrieb mir vor kurzem, die Homepage seiner Gemeinde sei seit Jahren bilderfrei – die Webseite der Pfadfinder seit Mai ebenso. Andere Gemeinde-Webseiten sind noch voll von Bildern. Klar, eine Homepage ohne Bilder ist schon sehr gewöhnungsbedürftig ... aber Bilder von zahlreichen Kindern auf einer Pfadfinderseite ohne Einwilligung der Eltern halte ich dennoch für nicht zulässig. Und ich erkläre gerne auch, warum.

Realität ist, dass viele Kinder getrennte Eltern haben. Manchmal ist ein Elternteil in der Gemeinde, der andere nicht. Wir freuen uns über jedes Kind, das an unseren Aktivitäten teilnimmt, (vor allem) wenn nicht-adventistische Elternteile dem zustimmen. Damit sind wir aber auch zu besonderer Sorgfalt verpflichtet, was den Umgang mit Videos und Fotos betrifft, auf denen diese Kinder abgebildet sind. Hier benötigen wir die Einwilligung von beiden Elternteilen – das ist lästig, aber notwendig.

Drei Schritte, mit der Herausforderung umzugehen


Der erste – und schwierigste – Schritt, den bereits beschriebenen Spagat erfolgreich zu meistern, ist ein Bewusstsein für das Empfinden anderer zu entwickeln, die möglicherweise anders über die Verwendung ihrer Daten und Bilder denken als ich. Im zweiten Schritt ist zu prüfen, ob ich über Daten (auch Bilder) verfüge oder diese sogar verbreite. Ist dies der Fall, sollte die Einwilligung des Betroffenen dafür vorliegen. Der dritte Schritt beinhaltet, diese Einwilligung einzuholen oder die Verbreitung der betroffenen Daten/Bilder einzustellen bzw. diese gegebenenfalls sogar zu löschen.

Ich bin mir sehr wohl bewusst, dass dieser Vorgang einen großen Verwaltungsaufwand in jeder Gemeinde bedeutet. Wenn jedoch nur eine Person sich (zu Recht oder sogar zu Unrecht) beschweren sollte, kann dies einen noch viel größeren Aufwand auslösen – von den finanziellen Folgen ganz zu schweigen. Das sollten wir nicht vergessen.

Es muss nichts über das Knie gebrochen werden, doch im Laufe des Jahres 2019 sollte jede Gemeinde nach meiner Empfehlung alle Webseiten, Facebook- und Instagram-Accounts prüfen und gemäß der beschriebenen drei Schritte handeln.

Löblich ist, wenn aus der Not eine Tugend gemacht wird. Ich zitiere aus einem Anschreiben eines Pastors (mit dessen Zustimmung) anlässlich der Einwilligungserklärung an seine Gemeindeglieder: „Bei dieser Gelegenheit wollen wir auch die Gemeindeliste auf den neuesten Stand bringen. Bitte überprüfe deine Daten und berichtige sie gegebenenfalls!“

Werbung nur nach Einwilligung


Ein anderer Bereich des Datenschutzes, der uns als Gemeinde tangiert, betrifft die Kontaktaufnahme oder Werbung. Wir dürfen nur Personen anschreiben – auch oder gerade per E-Mail –, die hierzu vorher ihre Zustimmung erteilt haben. Der Bundesgerichtshof hat dies in seiner Entscheidung vom 10. Juli 2018 (VI ZR 225/17) klargestellt und anderslautende Entscheidungen von Vorinstanzen aufgehoben: „Die Verwendung von elektronischer Post für die Zwecke der Werbung ohne Einwilligung des Empfängers stellt grundsätzlich einen Eingriff in seine geschützte Privatsphäre und damit in sein allgemeines Persönlichkeitsrecht dar.“ Weiterhin wurde der Ordnungsgeldrahmen im Falle der Zuwiderhandlung mit bis zu 250.000 Euro bestätigt.

Herausfordernd bleibt weiterhin, wie wir etwa Daten bei Straßenständen oder Bibeltelefonen erheben und dann damit umgehen. Hier gibt es keine pauschalen Vorgehensweisen. Die aufgeführten drei Schritte sind jedoch ähnlich anwendbar. Manchmal erörtere ich den jeweiligen Fall mit Gemeindeausschüssen, wo dies gewünscht ist, und wir suchen gemeinsam nach individuellen Lösungen. Den Kopf in den Sand zu stecken, ist jedenfalls nicht der richtige Weg. Stattdessen sollten wir der „Herausforderung Datenschutz“ mit Verstand, Reflexion und Austausch begegnen.

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