Bedeutet Sex die Eheschließung?

Bibel und Glaube
Bedeutet Sex die Eheschließung?

„Vor Gott bin ich schon verheiratet, da ich mit meiner Freundin geschlafen habe – Isaak hat das auch so gemacht“ – dieser Argumentation begegnet man immer wieder. Denn schließlich, so wird die Bibel zitiert, heißt es in Genesis 24,67c „…und [Isaak] nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau“. Aber sagt der Text wirklich aus, Sex sei gleichbedeutend mit einer Eheschließung? Roman Wiens klärt an der Stelle auf.

Ab wann ist man (Ehe-)Mann und (Ehe-)Frau? Es gibt unterschiedliche Gründe, sich diese Frage zu stellen und damit die heutige Praxis der Eheschließung zu hinterfragen. Für manche ist es der Wunsch, mehr nach biblischem Vorbild zu leben und nicht menschlichen Traditionen zu folgen. Für andere vielleicht Bequemlichkeit, da man die vielen Vorbereitungen einer Hochzeit vermeiden möchte. Bei wieder anderen schwingt vielleicht der stille Wunsch mit, Aspekte des Ehelebens (wie etwa das Zusammenleben oder Sexualität) vorzuziehen, ohne warten zu müssen. Was auch immer die Motivation ist, die Frage an sich ist sogar ziemlich wichtig! Eine beliebte Beispielgeschichte, um eine Antwort darauf zu finden, ist die Begegnung von Isaak und Rebekka – und dort vor allem die abschließende Beschreibung in Genesis 24,67: „und er nahm Rebekka, und sie wurde seine Frau.“ Dieser Abschluss der Geschichte erweckt tatsächlich auf den ersten Blick den Eindruck, Sex („er nahm sie“ – ein häufiger Ausdruck für Geschlechtsverkehr) wäre das, was dann die Aussage „sie wurde seine Frau“ begründet. Von einer Hochzeit ist hier nicht die Rede ... Bedeutet also nach biblischem Verständnis der Sexualakt tatsächlich die offizielle und eigentliche Eheschließung?

Über die Jahrhunderte und Jahrtausende hat sich viel verändert – dazu gehört sicherlich auch, was eine Eheschließung ausmacht. Aber die Annahme, zu biblischen Zeiten hätte es keine Hochzeit im heutigen Sinne gegeben, ist nicht haltbar. Damals bestand die Eheschließung, ebenso wie heute üblich, aus zwei Teilen: Der Verlobung und der Hochzeit. Die Verlobung wurde durch das Bezahlen des „Brautpreises“1 eingeleitet (siehe z.B. Gen. 34,12: Ex. 22,15-16; 1. Sam. 18,25). Während der Verlobungszeit wurde die Frau rechtlich wie eine verheiratete Frau behandelt, dennoch wurde Sexualität innerhalb dieser Zeit als unmoralisch und Unzucht gewertet (Deut. 22,23-24). Am Ende der Verlobungszeit fand dann die Hochzeit statt, die vor allem durch die Heimbringung der Braut ausgedrückt wurde, welche oft durch ein mehrtägiges Fest begleitet wurde (Gen. 29:22; Ri. 14:10; vgl. Mtt. 22:1-10; Joh. 2:1-11). Hierbei spielte der Vater, als rechtliches und geistliches Oberhaupt, eine sehr viel wichtigere Rolle als heute – in unserer Gesellschaft werden diese Aufgaben durch Standesbeamte und Pastoren übernommen. Erst nach der Heimbringung der Braut wurde das Paar als Ehepaar angesehen, mit allem was dann zu einer Ehe gehört (Zusammenleben, Sexualität, Kinder).

Mit diesen Gedanken im Hintergrund werfen wir noch einmal einen Blick auf die Aussage in Genesis 24, aber dieses Mal in ihrem Kontext. 1.) Rebekka und ihre Familie bekommen einen stattlichen Brautpreis (V. 22.53) 2.) Ihr Vater und ihr Bruder geben ihren Segen zu dieser Verbindung (V. 50-51) 3.) Rebekka stimmt der Verbindung aus freiem Willen zu (V.57-59) 4.) Es findet die übliche Heimbringung der Braut statt (V. 61-67) 5.) Vor Zeugen wird sie in das Zelt Sarahs geführt und übernimmt so die Rolle, die Sarah vorher als Matriarchin des Stammes hatte (V. 67) – erst nach all diesen Elementen einer damaligen Eheschließung heißt es: „er nahm sie“. Somit findet selbst in dieser Geschichte Sexualität erst innerhalb der Ehe von Rebekka und Isaak seinen Platz. Diese Aspekte stellen die Eheschließung von Rebekka und Isaak als öffentlichen Bundesschluss vor Gott und Zeugen heraus, der rechtlich bindend war. Somit wurde sie wirklich „seine Frau“ (V. 67) – mit allem, was zu einer ehelichen Beziehung gehört.

Wenn wir also aus dieser Geschichte nicht ableiten können, dass Sex gleich Eheschließung bedeutet – was können wir dann daraus lernen? In der sehr einzigartigen Führung durch den Diener Eliezer zeigt Gott, wie wichtig ihm die richtige, durch ihn geführte Wahl eines Ehepartners ist (v. 21.27.48.50). Gott wünscht sich Ehe für uns und möchte uns so führen, dass wir jemanden an unserer Seite haben, der uns ein passendes Gegenüber sein kann. Sexualität ist dann ein Geschenk, das für unser Eheleben bestimmt ist und das uns in unserer emotionalen, körperlichen und geistigen Nähe bereichern soll (V. 67; vgl. Gen. 2:24-25). Auch wenn es auf uns seltsam wirken mag, dass Rebekka und Isaak sich vorher nicht kannten, so drückt Vers 67 etwas Wichtiges über Ehe aus: Das eheliche Zusammenleben von Rebekka und Isaak führte dazu, dass „er sie liebgewann“. Während in vielen Ehen der „Alltag“ Einzug hält und die Liebe abnimmt, sollte sie eigentlich der Nährboden sein, auf dem Liebe weiterwächst, gedeiht und reift. Genau wie Gott damals Rebekka und Isaak dieses besondere Geschenk machte, so möchte er uns auch heute beschenken, damit wir das Eheleben mit all seinen Facetten genießen können.

Anmerkungen:

1 Der Brautpreis darf aber nicht als Kaufpreis einer Frau verstanden werden, sondern sollte eher als „Reichtum betrachtet werden, den die Braut in ihr neues Heim mitbringt“ (siehe „Die Ehe – Biblische, theologische und pastorale Aspekte“, Hg. Roberto Badenas und Stefan Höschele, S. 28-29).

Urheberrechtshinweis

Die durch die Seitenbetreiber erstellten Inhalte und Werke auf diesen Seiten unterliegen dem deutschen Urheberrecht. Die Vervielfältigung, Bearbeitung, Verbreitung und jede Art der Verwertung außerhalb der Grenzen des Urheberrechtes bedürfen der schriftlichen Zustimmung des jeweiligen Autors bzw. der Redaktion. Die Autoren verfassen Artikel nicht zur freien Veröffentlichung z.B. Internet oder auf Social Media-Plattformen. Es ist daher nicht gestattet, Inhalte von BWgung ohne Erlaubnis zu veröffentlichen.